Lange hab‘ ich nach einem guten Mittelweg bei der analogen Hardware gesucht, die mich auf der weiteren Entdeckungstour beim Fotografieren mit Film als Allrounder begleiten soll. Wenn es sowas überhaupt gibt, dann kommt dem die Minolta XD7 ziemlich nahe.
1977 eingeführt und bis 1984 produziert, hatte sie bis auf die letzte Version noch nicht den „Globe Mark“ im Schriftzug und bis dahin ein echtes Aluminium-Gehäuse, entwickelt zusammen mit Leitz. So ist das Gehäuse der Leica R4 ganz ähnlich und die XD7 enthielt schon Anleihen der R5. Für die Belichtungszeiten ist kein Tuchschlitzverschluss, sondern ein Lamellenverschluss der Firma Seiko verbaut. Gegenüber der großen Konkurrenz konnten die findigen Leute von Minolta oft mit Neuerungen überraschen. So war auch die Mattscheibe im Sucher so gut produziert, dass sie bald von Hasselblad in Lizenz eingekauft wurde.
Und so hatte die XD7 auch als erstes Kompaktmodell alle drei Belichtungsautomatiken gleichzeitig zu bieten. Blendenvorrang (A) wie führende Belichtungszeit (S) sind von oben einfach einzustellen. Im Sucher werden dann unterschiedliche Skalen eingeblendet, die zeigen, welche gegenteilige Einstellung man für ein gleichmäßiges Abbild vornehmen sollte. Nicht nur mehr per Zeigerinstrument, sondern per LED, die damals gerade aufkamen. In der „S“-Stellung bietet die Kamera noch eine Funktion, die den Shutter bei grenzüberschreitender Blende automatisch zurückregelt, um Über- oder Unterbelichtungen vorzubeugen.
Und neben den Halbautomatiken gibt es sogar noch eine Vollautomatik, in dem man Belichtungsring am Objektiv und Zeitenring an der Kamera auf zwei speziell markierte Zahlenwerte stellt (1/125 auf dem Zeiteneinstellrad und Blende 22 auf dem Objektivring). Eine zuerst versteckte Funktion. Interessant, dass das erst später an den Skalen grün eingefärbt und per nachträglichem Beiblatt in der Bedienungsanleitung dokumentiert wurde, da so eine Automatik damals witzigerweise noch als „wertmindernd“, weil für den Anfänger bestimmt, galt. Hier war die XD7 gleichwertig mit der Canon A1. Damit der Belichtungsmesser auch mit Gegenlicht zurechtkommt und man da immer noch scharf ziehen kann, hat man vorn eine Taste vorgesehen, welche die aktuelle Blende reduziert. An der Gehäusefront befindet sich außerdem noch der zeitversetzte Auslöser für „Selfies“. Schade, dass das immer noch eine mechanisch knisternde Küchenuhr (maximal 10 Sekunden) war, bei anderen Herstellern schon elektronisch gemacht.
Dagegen gab es beim Wettbewerb bis dahin nur Fernauslöser mittels Bowdenzug auf den Auslöseknopf. Den hatte man bei Minolta längst elektrisch gelöst, mittels Steckeranschluss an der Front. Den findet man vorne links. Und der Zubehörschuh war nun nicht mehr nur mechanische Aufnahme, sondern hatte elektrische Kontakte zur Synchronisation vom Blitz. Für Experimente mit Mehrfachbelichtung hat man sogar einen Bedienknopf am Boden vom Gehäuse vorgesehen. Drückte man den, wird beim Vorziehhebel der Film nicht weitertransportiert, jedoch trotzdem eine neue Aufnahme freigegeben.
Gegen die „Elektrifizierung“ der einst rein mechanischen Modelle hab‘ ich nichts einzuwenden, nur so schaffte man eine interne Belichtungsmessung und davon abhängig die Halbautomatiken. Kameras aus dieser Zeit sollten aber notfalls auch noch ohne elektronische Unterstützung funktionieren. Bei der XD hat man das Problem bei ausfallenden Batterien gut gelöst. Ohne dass gleich der Verschluss wie bei der Olympus klemmt, kann man dann im „O“-Modus einfach weiterfotografieren, rein mechanisch und ohne Belichtungsmesser. Damit man dabei nicht im „Dunkeln tappt“, wenn man keinen sonstigen Messer zur Hand hat, stellt die Minolta die Verschlusszeit nun auf feste 1/100 Sekunde, und man muss sich nur noch auf die manuelle Blende konzentrieren, was man im Feld durchaus aus der Erfahrung machen kann.
Am besten finde ich die wechselnden Skalen im Okular, in dem man je nach eingestellter Festblende oder fester Belichtungszeit den resultierenden Gegenwert angezeigt bekommt und vor Überschreitung per roter LED gewarnt wird. Je nach Modus werden nicht benötigte Werte ausgeblendet. So war Minolta zu jener Zeit anderen voraus, der Sucher schon wie bei späteren Modellen zu einem echten „Cockpit“ ausgebaut.
In der manuellen Einstellung bekommt man unten im Sucher die aktuelle Blende angezeigt, und wenn man den Auslöseknopf noch nicht ganz durchdrückt, einen Vorschlag für die Belichtungszeit, laut interner mittenbetonter TTL-Messung, die EV1 bis EV18 abdeckt. Wie bei japanischen Modellen üblich, gibt es auch noch einen Ring für die ständige Über- oder Unterbelichtung, bei der XD auf der linken Oberseite der Kamera. Für mich eher wichtig, dass es dort auch eine ordentliche Einstellung für die Filmempfindlichkeit gibt, die sich im Gegensatz zu anderen Modellen nicht so schnell verstellt und sich ohne spitze Finger bedienen lässt.
Vielleicht weniger interessant, sie war zu ihrer Zeit wahrscheinlich nicht nur die technisch Innovativste, sondern besonders geräuscharm. Als eine der ersten hatte Minolta ein Design mit „luftgebremstem“ Spiegelschlag. Bei der Einführung war sie nicht unbedingt billig, fast schon nur für den Profi. Aber zu ihrer Zeit auch eine der letzten mit Aluminiumvollgehäuse, bei ungefähr 500 Gramm. Dann kamen die Plastikbomber.
Ein nettes Gimmick beim Zubehör, die Streulichtblende aus Gummi, die man ohne abzunehmen oder verkehrt herum aufzusetzen, einfach auf halbes Maß zurückschieben konnte. Supi, dass ich noch ein originales Teil ohne Risse erwerben konnte. Neu auch der rote Fortschrittsbalken für den Filmtransport, rechts oben. Den Zettelhalter am Gehäusedeckel hat sie noch aus der Vergangenheit geerbt. Bei Mechanik und Elektronik war die XD eine echte Demonstration, was vor nun über 50 Jahren alles schon ohne Präzisions-CNC und vorgefertigte Microcontroller möglich war.
Und natürlich kommt nichts ohne Mankos daher. So passt der Objektivschutzdeckel nicht mehr, sobald Sonstiges aufgeschraubt ist, weil alles in den gleichen Gewindering greifen will. Ein Zubehörproblem. In den Modellen von Minolta oder Olympus gab es zu Zeiten der XD nur jeweils zwei Knopfzellen SR76 (heute LR44) im Boden. Darüber der bekannte Deckel mit dem „Münzschlitz“. Bei 3V und wenig Kapazität, knapp ausreichend für die Messung, LED-Anzeige und Shutterentriegelung. Später noch zur Kommunikation zum Objektiv gebraucht. Da war trotz wenig Verbrauch schnell das Limit erreicht und der Standby nicht so sparsam wie heute. Und es waren keine wiederaufladbaren Akkus. Canon arbeitete damals schon mit größeren Zellen, da war man besser aufgestellt.
Im Unterschied zur Olympus brauchte die Minolta aber nun keinen Ausschalter mehr. Hatte man bei der OM vergessen, die Messelektronik auf „Off“ zu stellen, waren die Batterien in ein paar Tagen leergesaugt. Das war bei der XD7 aber nun kein Problem mehr, wo sie in einen echten Stromsparmodus zurückfällt. Wer sicher gehen möchte, stellt den Belichtungszeitenregler auf „O“ und die Vorrangwahl auf „M“ zurück, dann ist die Elektronik tatsächlich von der Stromquelle getrennt. Für diese oder andere Tricks lobt man sich die Community, super, dass es da Unterstützung aus dem Web gibt. Und das ist dann auch die Verlinkung der Technik von damals in die Neuzeit, die es bis heute so spannend macht.
An der Rückwand lässt sich der „Data Back“ anbringen, am Boden ein motorgetriebener Filmtransport, der „Auto Winder“. Verschiedene Blitze gibt es auch. Bei den Objektiven MC und MD gibt es die gängige 50mm Festbrennweite und echte Lichtkünstler mit bis erstaunlichen 1/1.4. Mein Bevorzugtes ist aber gerade ein Rokkor Zoom 35-70mm 1/3.5 für das Losziehen im Alltag. Weitere Bedienelemente sind Rückspulsperre, Auslöseverhinderung und Batterietest.
Insgesamt hat die XD7 nun alles zu bieten, was ich mir von einer Kamera Ende der Siebziger wünsche. Was in den 80ern und 90ern noch kam, waren der integrierte Motortransport vom Film, der vorher ein Bodensteckmodul war. LCD-Anzeige und jede Menge Software, wie voreingestellte Programme für z.B. Porträt- oder Macroaufnahmen. Die braucht man normalerweise nicht. Den Film belichten können die auch nicht besser, nehmen einem nur ein paar Handgriffe dazu ab. Am Ende waren es fette, vollautomatische Filmkameras, die dann von den Digitalen abgelöst wurden, von außen kaum voneinander zu unterscheiden.
Die XD7 ist für mich da ein Meilenstein, vorab zur Zeit der aufgeplusterten Modelle ohne Charakter. Und heute gibt es solche schlanken Teile mit moderner digitaler Innentechnik ja auch wieder zu kaufen. Wer aber so eine Spiegelreflex im damaligen Original einmal in der Hand gehalten hat, erst der wird’s komplett verstehen…